lost? Fastentuch 2022

In der Nähe scharf
zieht der Draht Lebensgrenzen,
verschwimmt fern im Dunst.

Dieses Haiku von Klaus Giesriegl beschreibt das Fastentuch mit dem Titel "lost ?" und legt die beiden Perspektiven – die der Flüchtlinge und unsere eigene – offen.
Die Vorlage für dieses Fastentuch ist ein Pressefoto des belarussischen Fotografen Viktor Tolochko. Eines der vielen Bilder, die uns in den letzten Wochen von der menschlichen Tragödie an der Grenze zwischen Polen und Weissrussland berichten.
Das Bild zeigt einen Turnschuh, der an einem Stacheldrahtzaun hängt. Ein Stacheldrahtzaun, welcher im Herbst 2021 zwischen Polen und Belarus aufgestellt wurde.
Dieses Foto wurde von Klaus Giesriegl in eine Zeichnung mittels Tusche und dünner japanischer Feder in der Technik des "scribbling" übertragen.

Lost

Der Turnschuh als Zeichen der Verlorenheit der Menschen dort. Hier als Zeichen der eigenen humanitären Verlorenheit, die wir dieser Situation untätig zusehen.
Der Stacheldraht ist für die Flüchtlinge dort die harte Realität, der sie vor ihrer neuen - vielleicht einzigen Lebensperspektive trennt.
Und für uns? Garantieschutz für unser gefälliges Leben?
Oberhalb und unterhalb der Zeichnung ist Holzasche auf die Papierbahn aufgetragen.
Sie stammt aus dem heimischen Kaminofen des Künstlers.